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A Pr. Br. Rep. 030 (4.1)

Polizeipräsidium Berlin

Die preußische Städteordnung vom 19. November 1808 sah vor, in den größeren Städten eine staatliche Polizeiverwaltung zu errichten und in den kleineren die Ausübung der Polizei dem Magistrat zu übertragen. Dementsprechend wurde in der Residenzstadt Berlin am 25. März 1809 ein Königliches Polizeipräsidium errichtet, wobei an eine bereits bestehende staatliche Polizeibehörde angeknüpft werden konnte.
Dem Polizeipräsidium Berlin oblagen neben den ortspolizeilichen Aufgaben auch landespolizeiliche Funktionen, die anderwärts in den preußischen Provinzen von den durch die Verordnung vom 26. Dezember 1808 begründeten Regierungen wahrgenommen wurden. Eine völlige Gleichsetzung durch Umwandlung in eine "Regierung Berlin" (1816-1821) blieb eine Episode.
Durch Kabinettsorder vom 21. Dezember 1821 wurde das Polizeipräsidium zum 1. Januar 1822 in der alten Form wiederhergestellt. Seitdem nahm die Behörde gemeinsam mit der Ministerial-, Militär- und Baukommission die Funktionen einer preußischen Regierung für Berlin wahr.
Der Polizeipräsident von Berlin war dem Regierungspräsidenten von Potsdam gleichgestellt.
Bereits 1810 war das Polizeibüro (1846 Polizeiamt, zuletzt Polizeipräsidium) in Charlottenburg als Ortspolizeibehörde der Zuständigkeit des dortigen Magistrats entzogen und der Berliner Polizeibehörde unterstellt worden. Als mit Gesetz vom 13. Juni 1900 der Landespolizeibezirk Berlin gebildet wurde, wurden außer Charlottenburg die Städte Rixdorf (Neukölln) und Schöneberg, 1907 auch Wilmersdorf und 1908 Lichtenberg dem Landespolizeibezirk zugeordnet.

Mit dem Zusammenschluss der Vororte zur neuen Stadtgemeinde Berlin 1920 entstand das bis 1945 im wesentlichen unveränderte kommunale und staatliche Verwaltungsterritorium, in dem Landes- und Ortspolizeibezirk identisch waren. Das Polizeipräsidium war oder wurde im Laufe der Jahre zuständig für die Sicherheits- und Ordnungspolizei, die politische Polizei, Presse und Theater, Innere Angelegenheiten und Hoheitssachen, Gesundheitswesen und Sozialwesen, Gewerbeaufsicht, Bau- und Feuerpolizei, Straßen- und Verkehrswesen, Wasserbau und Schifffahrt.
Die Zahl der Abteilungen, die 1911 auf zehn angewachsen war, wurde 1917/1918 aus kriegsbedingten Gründen auf fünf eingeschränkt und hielt sich in den folgenden Jahrzehnten mit wechselnder Bezeichnung und Aufgabenstellung in diesem Rahmen. So besaß das Polizeipräsidium im Jahre 1931 folgende Struktur:
Persönliches Büro des Präsidenten und Hauptgeschäftsstelle: Organisation und Dienstaufsicht, Personalien und der unmittelbaren Bearbeitung des Chefs vorbehaltene Angelegenheiten; dazu direkt unterstellt Pressestelle, Rechnungsamt, Polizeihauptkasse, Nachrichtentechnisches Amt, Leitender Polizeiarzt und Leitender Polizeitierarzt.
Abteilung IA: Politische Polizei, Vereins- und Versammlungspolizei, Pressepolizei, staatsgefährdende Bestrebungen, Spionageabwehr, Ausländerpolizei.
Abteilung II: Einwohnermeldeamt, Passsachen, Staatsangehörigkeitsangelegenheiten, Personenstandssachen.
Abteilung III: Verkehrspolizei, Feuerschutz und Betriebssicherheit, Verwaltung der Berliner Wasserstraßen, dazu nachgeordnet Kraftverkehrsamt, technische Prüfstellen für Film und Theater, Wasserbauamt Berlin.
Abteilung IV: Gewerbeangelegenheiten, Theater-, Kunst- und Lichtspielangelegenheiten, dazu nachgeordnet die Gewerbeaufsichtsämter.
Abteilung V: Fürsorge- und Wohlfahrtsangelegenheiten, Aufsicht über Korporationen, Stiftungen, Vereine, Versicherungen, Sparkassen, Medizinal- und Veterinärangelegenheiten, Landwirtschaftspolizei, dazu nachgeordnet Kreisärzte, Gerichtsärzte, Kreistierärzte, Veterinäruntersuchungsämter.
Abteilung K: Kriminalpolizei, Gefangenentransport, Polizeigefängnisse.
Abteilung W: Wirtschaftsabteilung für Unterkünfte, Waffen und Geräte, Kleidung und Verpflegung.

Nachgeordnet waren dem Polizeipräsidenten die 1912 bzw. 1920 begründeten Polizeiämter, die ohne Beschränkung auf Fachressorts eine Reihe von ortspolizeilichen Aufgaben in den 20 Berliner Stadtbezirken durchzuführen hatten. Den Ämtern unterstand eine wechselnde Zahl von je drei bis 18 Polizeirevieren und Kriminaldienststellen. Unterstellt war dem Polizeipräsidium auch das Kommando der Schutzpolizei mit sechs Gruppenkommandos, denen die Polizeiinspektionen unterstanden.
Die Behörde eines "Enteignungskommissars" wurde 1933 gebildet. Ihr oblag die Übereignung von Privatgrundstücken im Zusammenhang mit der Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen bzw. der Errichtung kommunaler Betriebe und Einrichtungen sowie dem Bau bzw. Ausbau von Bahnstrecken. Die archivalische Überlieferung umfasst auch die Akten der 1847 gebildeten Abteilung III (Baupolizei) des Polizeipräsidiums Berlin, deren Geschäftsbereich am 1. April 1918 mit der Bau- und Fluchtlinienpolizei auf die Städtische Tiefbaudeputation überging.

Im Mai 1944 wurde für die Reichshauptstadt erneut ein eigener Regierungspräsident eingesetzt. Eine klare Zuständigkeitsabgrenzung zwischen diesem und dem Polizeipräsidium Berlin erfolgte nicht. Nach Kriegsende übertrug die Sowjetische Militäradministration alle Landesverwaltungsaufgaben unter ihrer Aufsicht dem neugebildeten Magistrat der Stadt Berlin.

Das preußische Geheime Staatsarchiv hatte seit 1879 kleinere, im Ersten Weltkrieg und unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Monarchie größere Abgaben aus dem Polizeipräsidium erhalten. Nach der Verlagerung im Zweiten Weltkrieg gelangten große Teile der Überlieferung 1950 in das Brandenburgische Landeshauptarchiv und wurden dort durch laufende Zugänge ergänzt: Einzelstücke aus dem Bereich der politischen Polizei aus Archivalienrückgaben der Sowjetunion; mehrere Tausend Vereins- und Kriminalakten vom Präsidium der Deutschen Volkspolizei Berlin 1961-1966; beim Stadtpräsidenten nicht weitergeführte Stiftungsakten vom Stadtarchiv Berlin 1963; verlagerte Einbürgerungsakten aus einer Aktenrückgabe vom Wojewodschaftsarchiv Poznan (Posen) 1965. 2001 wurde der Bestand vom Brandenburgischen Landeshauptarchiv an das Landesarchiv Berlin übergeben.
Im Landesarchiv Berlin wurden ebenfalls Teile der Überlieferung verwahrt; hauptsächlich etwa 12.000 Belegexemplare der Theaterzensur.

Das Moskauer Sonderarchiv der Staatlichen Russischen Archivverwaltung verwahrt weitere Bestandsteile.

Enthält:
Präsidialangelegenheiten: Aufgabenbereich und Zuständigkeit (Allgemeine Dienstangelegenheiten, Prozesse, Statistisch-topographische Nachrichten.)- Haushalt und Allgemeine Verwaltung.- Personalangelegenheiten.
Politische Polizei: Zensur.- Geheime Präsidialregistratur.- Pressepolizei.- Politische Vereine und Parteien.
Pass- und Meldewesen: Nürnberger Gesetze.- Judenkartei.- Auswanderungen.- Rangerhöhungen und Namensänderungen.
Bau- und Verkehrspolizei: Hoch- und Tiefbau.- Kommunale Wirtschaft.- Verkehr.- Feuerwehr.- Berliner Wasserstraßen.
Gewerbepolizei: Gewerbe.- Handwerk.- Handel.- Gaststätten.- Sittenpolizei.
Theaterpolizei
Korporationen, Wirtschafts- und Sozialpolitik: Vereine.- Kassen- und Versicherungen.- Kirchen.- Sozialwesen.- Landwirtschaft.
Medizinal- und Veterinärpolizei: Gesundheitswesen.- Veterinärwesen.
Kriminalpolizei: Kriminalwesen.- Gefängnisse.
Schutzpolizei.
Enteignungskommissar (Grundstücke A-Z nach Stadtbezirken).

Umfang:
78812 [AE] 771,60 [lfm]

Laufzeit:
(1718 -) 1815 - (- 1948)

Benutzung:
Datenbank, Findbuch

Spezialkartei der politisch Verfolgten (1830-1867).- Spezialinventar der frühen Arbeitervereine (1848-1852).- Spezialinventar zur Geschichte der bürgerlichen Parteien und Verbände (1848-1945).- Spezialinventar der Polonica (1830-1945).

Spezialinventar des Brandenburgischen Landeshauptarchivs Potsdam zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Teil 1 und 2 = Archivalische Quellennachweise zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Bd. 3, hrsg. von der Staatlichen Archivverwaltung im Ministerium des Innern, als Manuskript gedruckt 1963.

Verweise:
-> LAB A Pr.Br.Rep. 042 Preußische Bau- und Finanzdirektion
-> LAB A Pr.Br.Rep. 057 Stadtpräsident der Reichshauptstadt Berlin
-> LAB A Rep. 029 Regierung Berlin
-> LAB A Rep. 401 Polizeiamt Köpenick
-> LAB A Rep. 402 Polizeiamt Lichtenberg
-> LAB A Rep. 403 Polizeiamt Berlin-Mitte
-> LAB A Rep. 404 Polizeiamt Neukölln-Treptow
-> LAB A Rep. 405 Polizeiamt Pankow
-> LAB A Rep. 406 Polizeiamt Schöneberg
-> LAB A Rep. 407 Polizeiamt Wilmersdorf
-> LAB A Rep. 010-01-02 Magistrat der Stadt Berlin, Städtische Tiefbaudeputation
-> LAB A Rep. 010-02 Städtische Baupolizei

Literatur:
-> Ballhorn, A.: Das Polizeipräsidium zu Berlin, Berlin 1852.
-> Dokumente aus geheimen Archiven. Teil 1-2, bearb. von Rudolf Knaack und Dieter Fricke: Übersichten der Berliner politischen Polizei über die allgemeine Lage der sozialdemokratischen und anarchistischen Bewegung 1878-1913; 1878-1889, Weimar 1983 (= Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs Bd. 17); 1890-1906, Weimar 1989 (= Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs Bd. 24); Teil 4, bearb. von Ingo Materna und Hans-Joachim Schreckenbach: Berichte der Berliner Polizeipräsidenten zur Stimmung und Lage der Bevölkerung in Berlin 1914-1918, Weimar 1987 (= Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs Bd. 22); Teil 5, bearb. von Friedrich Beck und Walter Schmidt: Die Polizeikonferenzen deutscher Staaten 1851-1866. Präliminardokumente, Protokolle und Anlagen, Weimar 1993 (= Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs Bd. 27).
-> Dritter Verwaltungsbericht des Königlichen Polizeipräsidiums von Berlin für die Jahre 1891-1900, Berlin 1902 (enthält auch: Geschichte der Organisation des Polizeipräsidiums).
-> Feigell, W.: Die Entwicklung des Königlichen Polizeipräsidiums zu Berlin in der Zeit von 1809-1909, Berlin 1909.
-> Festschrift 75 Jahre Mordinspektion in Berlin 1926-2001, Hrsg.: Der Polizeipräsident in Berlin, Berlin 2001.
-> Dettmer, Klaus: Entwicklung und Aufbau der Kriminalpolizei in Berlin. In: Berlin in Geschichte und Gegenwart, Jahrbuch des Landesarchivs, Berlin 2003
-> Fricke, D.: Bismarcks Prätorianer. Die Berliner politische Polizei im Kampf gegen die deutsche Arbeiterbewegung (1871-1898), Berlin 1962.
-> Henning, L.: Das Wesen u. die Entwicklung der politischen Polizei in Berlin, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 42 (1925)
-> Knaack, Rudolf und Stumper, Rita (Bearb.): Polizeipräsidium Berlin. Politische Angelegenheiten 1809-1945. Sachthematisches Inventar. (= Schriftenreihe des Landesarchivs Berlin, Bd. 11, hrsg. von Uwe Schaper, zugleich: Einzelveröffentlichung des Brandenburgischen Landeshauptarchivs, Bd. IV, hrsg. von Klaus Neitmann), Berlin 2007.
-> Obenaus, W.: Die Entwicklung der preußischen Sicherheitspolizei bis zum Ende der Reaktionszeit, Berlin 1940.
-> Schulze, B.: 200 Jahre staatlicher Verwaltungsbezirk Berlin, in: Jahrbuch f. Brandenburgische Landesgeschichte 3 (1952), S. 1-8.
-> Übersicht über die Bestände des Brandenburgischen Landeshauptarchivs Potsdam, Teil 2, Weimar 1967, S. 391 ff.